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Sonntag, 15. Januar 2017

Ein letztes Lächeln

Abschiede

Die Umgebung hat sich in Dunkelheit gehüllt, als ihre Füße Abdrücke im Eis hinterlassen. Taubheit erfüllt sie von oben bis unten, jede Faser erzittert jedoch bei der fragilen Berührung der Kälte. Schneewehen türmen sich zu beiden Seiten auf, gleich Wällen verbergen sie die einsame Seele vor dem wärmespendenden Schein der Häuser. Beißend wie ein ausgezehrter Wolf durchdringt der Wind das dünne Nachthemd, das sie als einziges am Leibe trägt. Ihre dürren Armen umschlingen ihren gefüllosen Körper als nutzlosen Versuch des Schutzes, während sie mit ihren knochigen Fingern über das Metall streicht. Ein blauer Schein liegt auf der feinen Klinge, spiegelt das außerirdische Leuchten des Mondes. Zärtlich haften sich ihre Augen an die Wände eines einzigen Hauses, verharren an dem Fenster, an dem in dieser Sekunde ein Schatten vorbeihuscht. Kein Laut geht von ihr aus, als sie das weiche Holz der Tür aufstößt und in das lockende Innere schleicht. Ihr Mund ist trocken, ihre Zunge leckt über die aufgesprungenen Lippen nach der Suche von Flüssigkeit, als sie mit trommelndem Herzschlag die Stufen hinaufsteigt, die sie dereinst im Tageslicht erklomm. Vor dem Eintritt in den abgesperrten Bereich, dem Heiligtum des Ersehnten, verharrt sie angehaltenen Atems. Wie eine Tänzerin federgleich auf der Bühne Drehungen vollführt, schwebt sie über die leeren Flure. Das Begehrte liegt, völlig unbeweglich und starr, bedeckt in einem Status der Trance. Jedes Detail des Gesichts ist ihr bekannt, jede Kontur des Körpers haben ihre Hände erkundet und ihr Mund gekostet. Entgegen des befreienden Gefühls, das sie bis dahin verspürt hat, kriecht Beklemmung in ihr hoch, sorgt für ein anschwellendes Vibrieren in ihrem Innersten. Nur einmal noch legt sie ihren Kopf in die Halsbeuge, labt sich an dem vertrauten Geruch und lauscht dem ruhigen Stoß der Lebenskraft. Wie von selbst gleitet ein seliges Lächeln über ihre Wangen, als sich die Lider des Ersehnten heben. Einige Sekunden bleiben die Pupillen aufeinander gerichtet, geweitet vor Lust (?) oder doch eher Angst (?). Dann verzerren sich ihre Lippen und ihre Hände bewegen sich von selbst. Gurgelnd zuckt der Körper vor ihr, während sie zärtlich das fremd gewordene, verhärmte Gesicht mit Küssen bedeckt. Ein letztes Lächeln begleitet das Begehrte auf der Reise. Sie bleibt nicht länger, denn schon legt sie die Schneide auch an ihrer Kehle an. Blut vereint in Blut besiegelt den Abschied, der zum neuen Willkommen wird.

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