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Sonntag, 6. Dezember 2015

Escape?

Ausweg?


Leise Schritte auf weichem Schnee. Knirschende Tritte in den gläsernen Ohren. Schabend reißt der Wind an den Kleidern, zehrt von dem verkrampften Körper. Eis tanzt über die Wangen, zeichnet scharf die Konturen nach. Scherenschnittartige Reste eines Lebewesens. Von vorne lockt die Weite. Halb trunken von der umgebenden Schwärze schreitet sie voran. Stimmen kreischen in ihren Eingeweiden, rufen ihren Namen. Rufen ihre Liebe. Sie schwankt. Eine Stimme. Eine alte Erinnerung. Vergessene Bilder. Vergessene Schmerzen. Heiß tropfen Tränen auf den Boden. Verschmieren die Umrisse im Eis. 

Schattenspiele im Kopf. Zitternd umschlingt sie ihren Körper. Zwei Gesichter. Zwei Geschichten. Zwei tiefe Risse. Die Wunden klaffen tiefer als der Abgrund, der vor ihr gähnt. Wärme entflieht, Kälte bleibt. Ein Lächeln wie das eines Skeletts. Sie zwingt sich. Treibt sich an. Schafft Wälle, hinter denen sie sich verbirgt und verschwindet. Taucht wieder auf, nach Luft schnappend. Sanft lockt die Tiefe sie zu sich. Ein weicher, liebevoller Gesang.
Sie steht am Scheideweg. 

Sieht herüber zu dem Pfad, auf dem L. wartet. L. Sein dunkelblondes, kurz geschorenes Haar, seine grünen Augen, sein Lächeln, das sich tief in ihr Gedächtnis gebrannt hat. Seine Arroganz, aber auch seine Intelligenz und Leidenschaft. Ranken überwuchern den Weg, verschlingen sein Gesicht, auf dem bis zum Schluss das Lächeln erhalten bleibt. Mahnend wie eine brennende Fackel, die ihr Herz verglüht. Das Loch verschwindet nicht mehr. Nie wieder. 

Sie streicht gedankenverloren durch ihr Haar, das in zarten Wellen über ihren Rücken fällt. Suchend gleitet ihr Blick weiter.

Erkennt den Weg, der breit ausgeschlagen und weitläufig wirkt. Sich aber im Dickicht der Fantasie verliert. Dort steht R. R. Die leicht gelockten Haare umspielen seine Wangen und seine warmen, blauen Augen. Bilder flimmern. Eine Hand, die ihre fest umklammert hält. Ein Kuss, der auf den Lippen brennt. Sie spürt die Wärme, die Freundschaft... und doch... Sein Lächeln gleitet in Langeweile ab. Seine Liebe schwindet mit jeder dummen Bemerkung. Sie schüttelt sich. Eisig fährt seine kühle Klugheit ihren Nacken herab. Der Boden öffnet sich. Stacheln zerfetzen ihn, auf dessen Gesicht bis zum Schluss die Wärme und das Verständnis bleiben, beschattet von der Enttäuschung über sie. Sein bohrender Blick verfolgt sie. 

Ihre Schultern beben, während sie spürt, wie die Last zunimmt. Schwer drückt sie auf ihre Gedanken. Müdigkeit ermattet ihre Seele, bemächtigt sich ihrer leblosen Hülle. 

Beinahe zärtlich umfängt sie das wogende Spiel. Sachte Wellen, die ihre Glieder beruhigen. Einsamkeit frisst sie auf. Höhlt sie aus. Doch sie geht weiter. Lässt den Regen der Tropfen auf ihr Gesicht fallen. Schwebt durch eine finstere Nacht. Wie hinter einer Schutzschicht verbirgt sie sich in dem düsteren Meer. Lässt sich hinab gleiten. Ein... seltsames Gefühl... befällt sie. Freiheit. Ihr Herzschlag stockt, doch sie sieht in das warme Licht. Liebe und Zuversicht strahlen ihr entgegen. Sie tastet nach dem Tunnel. Doch... die Dämme brechen. Schatten verflochten mit ihrer Sicht. Das letzte, was sie wahrnimmt, sind zwei Hände...

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