Ewig währender Sturz
Dir versagen die Kräfte und du spürst, wie der Aufwind nach und nach weniger wird. Deine Lippen werden blau, während dein Atem stockt und die Kälte deine Glieder steif werden lässt. Doch du fällst und fällst stetig weiter. Am Anfang glaubst du noch an den Wänden Unterschiede zu erkennen. Du siehst Stein und Goldadern, Kristalle und sogar Diamanten, in denen sich fahl das schwächer werdende Licht bricht. Dein Blick gleitet nach oben und bleibt hängen. Kreisrund gähnt der Ausweg und lockt dich geradezu verführerisch. Aber du weißt, dass du ihn nicht erreichen kannst. Deine Finger krümmen sich an den Wänden fest, doch du findest keinen Halt. Stattdessen schlitterst du und schließlich fliegst du wieder. Schwebst förmlich wie ein eleganter Vogel, dem die Flügel gestutzt wurden. Deine Sinne spielen dir Streiche. Du siehst ein zartes Leuchten, ein Glimmen, das dich in die Tiefe zieht. Hoffnung keimt in dir auf. Vielleicht gibt es dort unten Rettung für dich. Deine gebrochenen Gedanken schwimmen unaufhörlich im Kreis, bilden sinnlose Kostrukte und mahnen dich nur noch mehr deiner arglosen, kindlichen, törichten Dummheit. Du presst dir die Hände an die Stirn, versuchst die aufgebrachten Stimmen in deinem Inneren zum Schweigen zu bringen, doch sie lassen nicht von dir ab. Wie Dämonen mit spitzen Stacheln reißen sie Wunde um Wunde in deine Seele, picken mehr und mehr von deiner wahren Persönlichkeit heraus. Machen dich zu einem willenlosen Sklaven, eine Maschine ohne Emotionen und eigenem Antrieb. Du verlierst nach und nach dein Augenlicht, schließlich stürzt du in tiefer Blindheit. Aber du weißt auch nicht mehr, wer oder was du bist. Das einzige, was dir noch bleibt, sind die weichen Gesänge der Stimmen in deinem Kopf. Sie lösen Neruon um Neuron und ersetzen dich durch eine Gestalt. Einen Schemen, der für seine Existenz keinen Sinn mehr sieht. Laut kreischen die Stimmen ein letztes Mal, dann verherrt die Stille klirrend wie Glas auch dein Gehör. Taubheit erfasst dich, Starrsinn begleitet deinen Sturz, Mutlosigkeit verformt deine Flügel. Sie fallen schließlich von deinem Rücken und du spürst nichts weiter als stumpfen Schmerz, der dein versagendes Herz einschließt. Wie durch eine Eisenfaust werden die Schläge in einen monotonen Rhythmus gezwängt und du akzeptierst ohne Widerstand. Deine Füße spürst du schon lange nicht mehr, nur in deinen Fingerspitzen ist noch ein Rest kribbelnder Wärme. Du suchst nach weiteren Regungen, doch bis auf den pochenden Schmerz in deiner Brust verliert sich alles in trüber Steifheit. Das letzte, was du wahrnimmst, sind steinerne Umarmungen und schließlich... eine Schwärze, die dich verzehrt, fast schon verspeist und genüsslich aufzehrt. In der teerschwarzen Tiefe, die dich umfängt, stockt dein schmerzvoll pochendes Herz nach und nach. Ein unbeschreblicher, sengender Schmerz begleitet dich auf deiner Reise in die Anderwelt...
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