Was bleibt...?
Sie steigt über die verkohlten Gerippe der Gebäude. Schwarzer Ruß liegt auf den verbogenen Metallstreben und Holzbalken.Sanft und zugleich eigentümlich wild lockt der Anblick des stummen Abbilds einer vergangenen Zeit. Wie beim ersten Mal und voller warmer Gefühle in der Brust sinniert sie über alte Erinnerungen, während ihre Finger zarte Spuren im Staub und der Asche hinterlassen.
Manchmal liegen Stoffstücke oder Metallösen vergraben unter dem dunklen Schutt und sie kann sich ein verträumtes Lächeln nicht verkneifen. Von unten schwelt die Glut noch herzhaft, trägt den rauchigen Geruch des beißenden Qualmes in ihre Lungen. Mit jedem Schritt kommt sie näher an das Loch, das der Brandbeschleuniger in das Fenster gerissen hat. Beinahe zärtlich fährt sie die scherenschnittartigen Splitter, die noch im Rahmen hängen. Ihr Blick gleitet zurück zu dem Körper, der an der Wand lehnt.
Das Gesicht ist durch das Feuer nicht mehr zu erkennen. Die Augen sind in den Höhlen verschwunden, die Muskeln und Sehnen hängen schlaff herab, erzeugen groteske Formen. Im Augenblick, als das Feuer ihn überraschte, fror das Lächeln auf seinen aufgesprungenen Lippen für immer ein und erinnernt nun mehr an einen verschobenen Strich. Seine Locken sind in der Kopfhaut verschwunden, haben sich eingebrannt wie Tättowierungen. Er ist in sich zusammengefallan, als seine Knochen durch die Hitze geschmolzen sind, doch seine Gestalt lässt ihr Herz selbst jetzt noch rasen. Sanft hinterlässt sie einen Kuss auf der Stelle der blutigen Masse, wo sie seine Wange vermutet.
Tief atmet sie durch, als sie mit den schmierigen Fingern versucht, das Feuerzeug zu benutzen. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen erzeugt das Klicken und Klacken schließlich den gewünschten Effekt. Flammen lecken über ihre Kleidung und sie saugt genießerisch den Geschmack des Benzins ein. Erschöpft legt sie sich vor den Überresten eines alten Lebens nieder.
Was bleibt, das weiß selbst sie nicht...
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