Musenhain
Im Zwielicht des lauen Frühlingsmorgens tänzeln Faune über saftige Wiesen. Der würzige Geruch des nächtlichen Regens hat Spuren in diamantener Tropfenform auf den fleischigen Blütenblättern des Hains hinterlassen. Ein Hauch schwerer Süße schwingt bereits im säuselnden Gesang der aufkommenden Brise mit, haftet den erwachenden Wesen gleich einer zweiten Haut an. Zart kräuseln sich seidene Blüten, umschmeicheln die verspielten Zauberwesen, während in den Ästen und Kronen der leicht begrünten Bäume das morgendliche Konzert der Singvögel beginnt. Es ist eine warme Melodie, die zugleich federleicht wie auf Schwingen daherkommt und selbst dem trägen Bach einen goldenen Glanz verleiht. Der Pollen wirbelt wie winzige Elfen über die hohen Gräser, verbreitet die frohe Botschaft der Geburt der Natur bis in die hintersten Winkel und verschlungensten Pfade. Behutsam recken die Frühblüher ihre Köpfe, saugen die rötlichen, ersten Strahlen der Morgensonne in sich auf. Feuchtigkeit lässt die Umgebung flirren. Sanft und zugleich noch immer ein wenig erschöpft hebt sie ihren Kopf. Lässt ihn aber sogleich wieder sinken. Ein kraftvolles Pochen durchdringt ihre Gedanken. Ihre Zunge fühlt sich nocht schwer an von dem Nektar, aber ihre Sinne sind bereits scharf. Neckisch fährt sie mit der Zunge über seine Lippen. Sinniert über den eigentümlichen Geschmack, bis sie ihre Stimme wiederfindet. Engelsgleich hoch und volltönend klar hallt ihr nymphenhafter Gesang durch die Weiten des Hains. Während er noch im süßen Schlummer vor sich hindämmert und den Klang ihrer Stimme bis in die Tiefen seines Unterbewusstseins hinabgleiten fühlt, verblasst sie bereits. Die letzte Energie, die sie besitzt, verwandelt sie in einen hauchzarten Kuss, der ihn erschrpocken hochfahren lässt. Doch da... ist sie bereits verschwunden. Ein wenig benommen tasten seine bebenden Finger nach dem Abglanz ihrer Präsenz, dem heißen Prickeln ihres letzten Kusses auf seinen Lippen. Die Frühblüher versenken ihre Köpfe wieder im Gras, die Faune sind längst zu Glühwürmchen geworden, die in zunehmender Anzahl über den Bach schweben. Blutrot verneigt sich die Sonne und begrüßt mit einem Zwinkern den silbrigen Schein des Mondes...
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